„Wir ahnten damals nicht, wie extrem die Medienrevolution verlaufen würde.“
Normalerweise forscht Michael Zink, Alumnus des Fachgebiets Multimedia Kommunikation, im „Department of Electrical and Computer Engineering“an der Universität Massachusetts Amherst. Schon seit 2015 ist er für mehrere Monate zu Besuch bei uns am Fachgebiet, um im Sonderforschungsbereich MAKI gemeinsam mit KOM-Wissenschaftlern an Themen zu arbeiten, die das zukünftige Internet betreffen. Sein Schwerpunktthema ist „Information Centric Networks“, bei denen man Inhalte nicht mehr durch IP-Adressen, sondern direkt mit Namen adressiert.
Michael, welche Geschichte verbindet Dich mit dem Fachgebiet Multimedia Kommunikation?
Ich habe schon 1997 als Hiwi bei KOM gearbeitet. Meine Forschungsthemen waren damals noch Quality of Service, Research Reservation Protocols over ATM. Anschließend habe ich bei KOM meine Diplomarbeit über das Thema „Integration of ATM and Internet Quality of Service Architectures: Overview and Evaluation of RSVP over ATM Approaches” geschrieben.
Danach bin ich für ein Jahr in die USA gewechselt und kam im November 1998 für meine Promotion zurück an das Fachgebiet. Damals war das noch eine richtige Pionierzeit, ich erinnere mich, dass wir noch Kabel selbst verlegt haben. Viele Kollegen, mit denen ich auch heute noch gut befreundet bin, kamen damals neu ins Team. Die Zusammenarbeit ist heute noch toll. Nach meiner Promotion habe ich mich dann wieder für ein Angebot aus den USA entschieden und seitdem bin ich an der University of Massachusetts Amherst.
Damals hattet ihr bestimmte viele Vorstellungen davon, wie sich alles entwickelt. Ist davon etwas wahr geworden?
Ich forsche schon seit vielen Jahren zum Thema verteile Systeme und Computernetzwerke, in ganz unterschiedlichen Themenbereichen. Zwischen unserer damaligen Erwartungshaltung und dem, was dann wirklich passiert ist, da gibt es deutliche Unterschiede. Damals war es noch eine andere Zeit. Wenn wir Übertragungsgeschwindigkeiten von 155Mbit/s erreichten, dann war das schon fantastisch. Wir konnten damals nicht absehen, wie schnell sich das entwickeln würde.
Aber es ist auch Aufgabe der Forschung, Themen nachzugehen und diese wieder fallen zu lassen, wenn sie in einer Sackgasse enden. Das gehört zum Prozess, wenn man neues Wissen schaffen will. Und es ist nicht umsonst, denn man lernt dabei meist wichtige Grundlagen, die man dann auf neue Themengebiete anwenden kann. Technologien ändern sich, aber die Grundlagen bleiben gleich.
Deine Promotion hast Du auch bei KOM geschrieben – was war das Thema?
Das Thema der Promotion war „Scalable Internet-Video on Demand“ – das ist heute noch aktueller als damals. Wir ahnten damals nicht, wie extrem die Medienrevolution verlaufen würde. Das Internet, speziell YouTube, Netflix und Co., verändert grundlegend, wie wir Medien konsumieren. Unsere Kinder werden das lineare TV nicht mehr verstehen. Neulich war ich mit meiner Tochter bei ihrer Oma zu Besuch, dort schaute sie einen Zeichentrickfilm im Fernsehen. Plötzlich sagte sie: „Oma, drück mal Pause, ich muss mal auf Toilette.“ Sie wusste nicht, dass man das TV nicht einfach pausieren kann, weil sie aus den USA fast nur Netflix kennt. Das sind technologische aber auch soziale Mechanismen, die sich gerade verändern. Und die werden eine ganze Generation prägen. Große TV-Sender wie NBC oder auch ARD und ZDF werden Probleme bekommen, wenn sie sich dieser neuen Erwartungshaltung nicht anpassen.
Das ist eine neue Industrie, die besonders durch Unternehmen geprägt wird, die digital extrem dominant sind.
Auch für die Forschung ist es eine Herausforderung sich gegenüber der Industrie zu behaupten. Dort wird mit sehr großen Budgets geforscht, auf bekannten Konferenzen tauchen immer häufiger wissenschaftlicher Paper von Google und Co. auf. Große Unternehmen wie Facebook, Apple und Google forschen vermehrt, weil externe Unternehmen nicht mehr das liefern, was sie brauchen. Industrieforschung hat wieder einen ganz hohen Stellenwert.
In der Forschung unterstützt du uns im Sonderforschungsbereich MAKI für das zukünftige Internet. Was genau machst Du dort?
Eigentlich forsche ich in den USA an Cyberphysical Systems, Cloud Computing, und Architekturen für das zukünftige Internet. Dort mache ich gerade ein Sabbatical, um mich weiterzubilden und meine Forschung neu auszurichten. In den USA gibt es einige Future-Internet-Projekte, aber MAKI ist besonders interessant, weil es einen sehr speziellen, eigenen Ansatz hat. Umgekehrt kann ich den Wissenschaftlern bei MAKI zeigen, was man in den USA macht, kann Verbindungen herstellen, Wissenschaftler vernetzen und Wissen austauschen. Gemeinsam überlegen wir, was die nächsten Schritte in der Forschung sind und wie wir voneinander lernen können. Mein Schwerpunktthema ist „Information Centric Networks“, bei denen man Inhalte nicht mehr durch IP-Adressen, sondern direkt mit Namen adressiert. Also weg von dem 40 Jahre alten hostzentrierten Paradigma des Internets und hin zu einer Architektur, in der Inhalte viel mehr im Vordergrund stehen.
Was ist im im Bereich Netzwerktechnologie ein entscheidendes Zukunftsthema?
Die Sicherheit, gerade im Kontext des „Internet of Things“. Wenn wir keine sichere Basis schaffen für eine Zukunft, in der alles mit allem vernetzt ist, dann wird das in enormen Problemen resultieren. Ein anderes wichtiges Thema ist, wie wir die weltweite Internetabdeckung fördern können, ohne dabei die Netzneutralität zu gefährden. Das ist notwendig, um auch Entwicklungsländern den gleichen Zugang zu Wissen und Bildung zu ermöglichen, wie wir ihn haben. Sonst klafft die „digitale Lücke“ irgendwann zu weit. Das ist ein komplexes Thema mit vielen Seiten, aber auch technologische Innovationen können bei einer schnelleren Verbreitung des Internets helfen.
Wie kann diese komplette Vernetzung der Gesellschaft dienen?
Es gibt viele Möglichkeiten. Ein konkretes Anwendungsszenario sehe ich beispielsweise bei Städten. Die Weltbevölkerung wächst und immer mehr Menschen zieht es in die Städte, sogenannte Megastädte wachsen endlos. Dabei entstehen auch viele Probleme. Einige davon kann das IoT adressieren, beispielsweise könnte man den Verkehrsfluss und den Energieverbrauch in Städten besser regeln. Wenn wir Daten vertraulich aufnehmen und sinnvoll verarbeiten, können wir das Leben in den Städten verbessern. Das Leben in den Metropolen lebenswerter zu machen, das ist ein wichtiges Ziel.
Was würdest Du jungen Akademikern raten, die sich gerade mit dem Thema Karriereplanung beschäftigen?
Ich würde ihnen sagen, dass sie nicht versuchen sollen, alles perfekt zu machen. Stattdessen sollen sie die eigene Leidenschaft entdecken. Es gibt so viele Möglichkeiten, man sollte viel ausprobieren. Allerdings muss man sich früher oder später auch entscheiden. Wenn man sich für die Wissenschaft entscheidet, dann sollte man das nicht wegen des Geldes tun. Forschung zu betreiben ist intensiv, es kostet viel Zeit und Energie und erfordert Durchhaltevermögen. Es gibt Studien, die zeigen, wie viele Stunden man investieren muss, um ein Experte in einem Thema zu werden – das sind circa 80.000 bis 100.000 Stunden, also 12 bis 15 Arbeitsjahre. Ein guter Forscher wird man nicht über Nacht. Dafür ist die Forschung aber auch sehr persönlich; es ist etwas, das ein Teil von einem wird.
Vielen Dank für das Gespräch!