Und minütlich ändert sich die Karte
Forscher an der TU Darmstadt haben in Kooperation mit Opel ein Konzept entwickelt, das die Sensoren des Smartphones für die Autofahrt nutzt, um kurzfristige Änderungen im Kartenmaterial schneller aktualisieren zu können. Das Paper der beiden Wissenschaftler, Florian Jomrich und Tobias Meuser, wurde auf einer internationalen Konferenz ausgezeichnet.
Aktuelle Karten schaffen Sicherheit und Komfort
Das wahrscheinlich älteste Kartenmaterial der Menschheit ist rund 8.000 Jahre alt und eine Ansammlung von Rechtecken, die mit roter Farbe auf eine Wand gemalt wurden. Sie stellen einen Stadtplan dar, der den Menschen in den vielen verwinkelten Gassen Orientierung bieten sollte. Heute orientieren wir uns mit digitalen Karten, die mit hoher Auflösung erstellt sind. Was heute zusätzlich anders ist: Die Landschaften, Straßen und Bebauungen ändern sich mit immenser Geschwindigkeit. Die Folge ist, dass Karten trotz – oder wegen – ihrer Genauigkeit immer schneller veraltet sind.
Gerade für autonomes Fahren gewinnen zentimetergenaue und aktuelle Karten immer mehr an Bedeutung. Sie sind neben eingebauten Kameras oder Abstandsmessern die virtuelle Referenz für die Navigation und Steuerung des Fahrzeugs. Dafür werden teure und seltene Messfahrzeuge gebraucht, die das Kartenmaterial auf dem neuesten Stand halten. Die Anzahl der Messfahrzeuge ist allerdings stark begrenzt. Ein großes Problem sind dabei kurzfristige und temporäre Änderungen wie Baustellen. Die Idee: Fast jeder hat ein Smartphone bei sich – natürlich auch bei der Autofahrt. Die darin enthaltene Sensorik bietet enormes, aber leider ungenutztes Potential, um veraltete Stellen im Kartenmaterial schnell zu markieren.
Vorhandene Sensorik erkennt die Baustelle
Praktisch ist daran vor allem, dass man günstig verfügbare Sensorik an Bord hat, ohne dass sie fest im Fahrzeug verbaut sein muss. Klar, auch jetzt schon können über GPS Änderungen auf der Fahrbahn erkannt werden – aber das dauert. Wenn es schnell gehen muss, kann dieser Ansatz durch den Einsatz des Accelerometers und des Gyroskops im Smartphone ergänzt werden. Das Gyroskop misst die Lage, während das Accelerometer die Beschleunigung misst. Die beiden Sensoren ermöglichen es in Kombination, einen Spurwechsel zu detektieren. Wenn also viele Smartphones ähnlich gemessene Datenmuster aufweisen, ist statistisch nachgewiesen, dass sich hier ein neues Objekt auf der Fahrbahn befindet, dem ausgewichen werden muss. Das kann eine Baustelle, ein liegengebliebenes Fahrzeug oder ein umgefallener Baum sein.
Wenn diese Informationen mit einer Bremsung vor einen Spurwechsel und einer Beschleunigung nach erneutem Spurwechsel kombiniert wird, ist auch die Streckenlänge, die das Hindernis einnimmt, bekannt. Diese Daten können dann dazu verwendet werden, entsprechende Marken zu setzen, wo die Karte nicht mehr aktuell ist. Das hat zwei Vorteile: Es kann den Fahrer rechtzeitig warnen, damit er sich auf das Hindernis einstellen kann und konzentriert am Steuer sitzt – gerade beim hochautomatisierten Fahren ist das ein entscheidender Vorteil. Zweitens kann das Kartenmaterial im zweiten Schritt zeitnah und mit validen Informationen aktualisiert werden. Die gewonnene Präzision kommt damit sowohl autonomen Fahrassistenten als auch herkömmlichen Navigationssystemen zugute.
Für ihre Forschung gewannen Florian Jomrich und Tobias Meuser vom Fachgebiet Multimedia Kommunikation der TU Darmstadt den Best Paper Award der Vehits 2019 – einer internationalen Fachkonferenz für Fahrzeugtechnik und intelligente Transportsysteme.
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