Ralf Steinmetz wird Ehrendoktor der RWTH Aachen

Mit seiner Forschung will TU-Professor Ralf Steinmetz unsere Kommunikationssysteme auf Ausfälle, Naturkatastrophen und Angriffe vorbereiten.

Wir kommunizieren jeden Tag über Smartphone oder Laptop, und doch sind unsere Kommunikationswege nicht für künftige Herausforderungen wie Stromausfälle oder Naturkatastrophen gewappnet. Mit seiner Forschung hat Ralf Steinmetz, Leiter der Fachgebiets Multimedia Kommunikation an der TU Darmstadt, Methoden vorangetrieben, das Netz vor derartigen Gefahren zu schützen. Dafür wird er am heutigen 9. September an der RWTH Aachen mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. „Das freut mich sehr“, betont der TU-Professor. „Aachen ist eine sehr gute Universität und nicht nur in Deutschland ist sie eine der besten Technischen Universitäten.“

Mit Aachen ist Ralf Steinmetz gleich auf mehreren Wegen verbunden. Im Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) sitzt er im Kuratorium, zusammen mit dem Aachener Informatik-Professor Klaus Wehrle forschte er bereits im Jahr 2000 auf dem Gebiet der Peer-to-Peer-Technologie. Damals noch als Wegbereiter illegaler Tauschbörsen verrufen, lieferte die Technologie später die Grundlagen heutiger Mediatheken und vieler Streaming-Dienste.

Kommunikation über alle Anwendungen, Technologien und Geräte hinweg

Auf dieser Forschung aufbauend arbeitet Ralf Steinmetz mittlerweile zusammen mit Wissenschaftler*innen des von ihm geführten DFG-Sonderforschungsbereichs „MAKI – Multi-Mechanismen-Adaption für das künftige Internet“ daran, das Daten- und Kommunikationsnetz gegenüber Ausfällen abzusichern. Als Werkzeug dienen ihm hierzu zwei Ideen: Anpassung („Adaptivität“) als zentraler Gedanke der Gestaltung aller Kommunikationssysteme und Übergang („Transition“) als den nahtlosen Austausch von Mechanismen in der Kommunikation.

„Wir dachten, es wäre oft sinnvoller, Bestehendes zu nehmen und anzupassen, anstatt Neues zu entwickeln“, erklärt der TU-Professor. Adaptive Systeme kann man schon länger auf dem Smartphone beobachten: Findet dieses ein Wifi-Netz, geht es automatisch von mobiler 5G- oder LTE-Datenübertragung zu Wifi über.

Nicht mehr zwischen Telefon, Messenger und E-Mail entscheiden müssen

Doch die Vision von Ralf Steinmetz ist viel weitreichender. Sie umfasst unsere komplette Kommunikationslandschaft. Wenn man sich heutzutage zum Beispiel mit einem Freund verabredet, müsse man zwischen Telefon, E-Mail oder einem sozialen Netzwerk wählen, führt er aus. „Es wäre viel einfacher, wenn ich meine Nachricht in der von mir gewünschten Form losschicken könnte und das System sich dann selbst den besten Weg aussucht, über den sie ankommt.“

Die wissenschaftlichen Grundlagen dafür habe der Sonderforschungsbereich MAKI geliefert. Jetzt liege es an den Systemherstellern, die Kenntnisse in Produkte zu überführen. Leider stünden dabei oft die Geschäftsmodelle einzelner Firmen im Weg. Beispielsweise hätten die Unternehmen hinter den Messaging-Diensten WhatsApp, Telegram und Signal wenig Interesse an einer adaptiven Lösung, welche automatisiert Kommunikation über alle Messenger hinweg ermöglichen würde.

Resiliente Kommunikationsnetze: „Es wird teuer und unangenehm werden.“

Innerhalb eines Systems würden die Hersteller die Kenntnisse dennoch nutzen. Absolvent*innen des Fachgebiets Multimedia Kommunikation arbeiten inzwischen bei Unternehmen wie Google, Apple, Spotify, Deutsche Telekom, Netflix, Intel oder Siemens.

Ralf Steinmetz hofft, dass die Dringlichkeit auch über Herstellergrenzen hinweg Beachtung findet. Denn nicht nur uns Menschen würde ein potenzieller Ausfall der Kommunikationssysteme schaden. Autonome Autos, Satelliten und Maschinen sind mittlerweile abhängig davon. Bis diese jedoch hochadaptiv und dadurch resilient sind, liege noch ein langer und steiniger Weg vor uns: „Wir müssen Vieles dafür tun und es wird teuer und unangenehm werden. Verlässlichkeit kostet, und man erkennt den realen Nutzen nicht sofort.”

Mehr zum Thema: „Unsere Kommunikationssysteme sind auf Gefahren wie Naturkatastrophen, Angriffe oder Stromausfälle nicht gut vorbereitet“


Zur Person: Prof. Ralf Steinmetz

Prof. Dr.-Ing. Ralf Steinmetz leitet an der TU Darmstadt das Fachgebiet Multimedia Kommunikation an der Schnittstelle von Elektrotechnik und Informatik. Er ist 1956 in Santiago de Chile geboren. Internationale Anerkennung erlangte er durch wegweisende wissenschaftliche Arbeiten zur Synchronisation multimedialer Datenströme, durch Beiträge zur Peer-to-Peer-Technologie, auf welchen heutige Streaming-Dienste und Mediatheken basieren, sowie durch seine Idee einer systemweiten Adaptivität durch Übergänge von Kommunikationsmechanismen. Hierzu hat er weltweit den Begriff der „Transition“ für verteilte und kommunizierende Systeme geprägt.

1999 wurde Ralf Steinmetz zum IEEE Fellow ernannt, 2001 zum ACM Fellow, 2017 zum ITG-Fellow der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE, 2018 zum GI-Fellow der Gesellschaft für Informatik und 2019 zum Mitglied der Academia Europaea. Am 9. September 2022 erhält er für seine wissenschaftliche Leistung die Ehrendoktorwürde der Informatik an der RWTH Aachen. Einen engen und langjährigen Bezug zu Aachen hat Ralf Steinmetz unter anderem durch seine Berufung ins Kuratorium des Fraunhofer Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT). Mit Wissenschaftler*innen der RWTH Aachen verbindet ihn die gemeinsame Forschungstätigkeit in mehreren großen DFG-finanzierten Verbundvorhaben.